
Dass das Wissen und die Vorstellungen über den eigenen Beruf und den Arbeitsalltag je nach Gegenüber stark auseinander gehen können, kennen sicherlich viele. Anders als in vielen Bereichen, in denen Expertenwissen verlangt ist, wie zum Beispiel in technischen oder naturwissenschaftlichen Berufen, in denen es „Sendung mit der Maus-Erklärungen“ braucht, um das Arbeitsfeld überhaupt zu verstehen, haben die meisten Menschen eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was Historiker*Innen tun. In unserem Familien- und Freundeskreis kamen folgende Vorstellungen zu Tage:
Historikerinnen und Historiker…
„lesen den ganzen Tag in alten Büchern“
„haben nicht viel mit Technik zu tun„
„kennen absolut jedes Ereignis und jede Person der Weltgeschichte (natürlich mit korrekten Daten) und können dir die Welt erklären„
„erforschen wie es wirklich gewesen ist„
„sind zerstreute Wissenschaftler*Innen„
„beschäftigen sich ausschließlich mit der Vergangenheit„
Während wir uns in einigen Bildern gut wiedererkennen können, lassen sich andere ganz schnell widerlegen. Das Lesen ist natürlich ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Ob Bücher, Online Journale oder alte Urkunden und Akten im Archiv – das Lesen ist zentral für unsere Recherchearbeit, die einen manchmal in altehrwürdige Bibliotheken und Archive, häufiger aber in weniger glamouröse Uni-Bibliotheken und zur Zeit im coronösen Home-Office vor allem in das Chaos des eigenen Schreibtisches führt. Das Vorurteil, einen Hang zu antiquierten Medien zu haben oder eine „Technik-Oma“ zu sein, lässt sich so allerdings nicht halten. Obwohl das Lesen alter (oder neuerer) Bücher oder Archivalien einen wichtigen Teil unserer Arbeit darstellt, arbeiten wir mindestens genau so häufig am PC. Zahlreiche Quellen und Fachbücher sind inzwischen digitalisiert. Die Recherche und Arbeit mit Datenbanken, digitalen Quelleneditionen und Online Archiven – manchmal sogar das Erstellen von Datenbanken oder Online-Lernmodulen erfordern ganz schön viel technisches Know-How.
Auch das Bild von Historiker*Innen als zerstreute Wissenschaftler*Innen mag bei einigen Exemplaren zutreffen. Aber wer bei so vielen Quellen, Fachbüchern und Archivalien den Überblick behalten möchte und das Wissen, dass man sich erarbeitet hat auch weitergeben oder zu Papier bringen will, für den sind Selbstorganisation und strukturiertes Arbeiten überlebensnotwendig. Was natürlich nicht heißt, dass man sich nicht ab und zu genau so fühlt wie im letzten Bild des Memes (what I actually do). Das Vorurteil der allwissenden Historiker*In ist leider genau so schnell widerlegt wie die Illusion/Hoffnung/Anmaßung herausfinden zu können, wie es wirklich gewesen ist. Das liegt nicht allein an der Unmenge an Wissen, Quellen, Texten und Themen, die man zu diesem Zweck studieren müsste, sondern an Selbstverständnis und Methodik der Geschichtswissenschaft selbst (was einen eigenen Geschichtswerkstatt Beitrag verdient). Und obwohl wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, sind es Fragen oder Probleme aus der Gegenwart, die unseren Blick auf die Geschichte lenken. Wie sind gegenwärtige Strukturen oder Probleme entstanden? Hat es historische Parallelen gegeben und welche Impulse können uns diese für aktuelle Fragen geben?
Was Geschichte überhaupt ist, was Geschichte für uns ausmacht und wie genau unser Arbeitsalltag aussieht, werden wir in den nächsten Beiträgen näher unter die Lupe nehmen. In unserer virtuellen Geschichtswerkstatt nehmen wir euch mit in unseren Arbeitsalltag, lassen euch bei einzelnen Arbeitsschritten über die Schulter gucken und berichten von den frustrierenden und triumphalen Momenten des Doktoranden-Daseins.
Wie stellst du dir den Arbeitsalltag von Historiker*Innen vor?
Bild:https://knowyourmeme.com/photos/251536-what-people-think-i-do-what-i-really-do